Montag, 14. September 2015

Die Buchhändlerin erzählt

Hallo liebe Lesende,


lange habe ich mich hier nicht blicken lassen. Das tut mir auch sehr leid, aber ich hoffe das Warten hat sich für euch gelohnt.

Heute habe ich nämlich ein Interview für euch. Interviewt wurde Heinrich Riethmüller - einer meiner Chefs und gleichzeitig Vorsteher des Börsenvereins

Wie die meisten von euch wissen werden die Bücher einiger Verlage immer teurer. Für viele ist das unbegreiflich, für den Buchhandel ist es unerlässlich. Warum das so ist, was das für Verlage, Buchhändler und letztendlich die Leser heißt und   wie viel Bücher in Zukunft kosten müssten erfahrt ihr also heute. Fett geschrieben seht ihr die von mir gestellten Fragen, darunter dann die Antworten.


Die Buchpreise sind seit 2010 nicht bzw. nur minimal gestiegen.
Was bedeutet das für die Buchbranche? Was passiert, wenn die Buchpreise nicht weiter ansteigen?

Alle anderen Preise steigen, nicht nur Löhne auch Energiekosten, Mieten, Strom und andere Mehrkosten. Damit man dann weiterhin Gewinn macht muss man wesentlich mehr Bücher zum gleichen Preis verkaufen. Da der Buchmarkt stagniert, funktioniert das allerdings nicht und Abdecken der Mehrkosten ist nur über höhere Buchpreise möglich.

Kleine Buchhandlung können dadurch betroffen sein, müssten dafür aber von vornherein wirtschaftlich bereits schlecht dastehen, um deshalb schließen zu müssen.


Einige Verlage verkaufen ihre Bücher jetzt für 10.99€ statt 9.99€ Reicht das, damit der Buchhandel nicht weiter stagniert?

Ich bin froh, dass einige Verlage anfangen, die „Schwellenpreise“ zu überschreiten. Ob das ausreicht ist noch unklar - das bleibt abzuwarten. Aber diese höheren Preise bedeuten für die Verlage zum Beispiel auch, dass sie nur eine geringere Auflage produzieren können.

Ich erinnere mich noch an den „Medicus“ von Noah Gordon. Der hat damals  45 DM gekostet. Nach 10 Jahren wären wir durch Inflationsrate jetzt bei 45 Euro. Das würde wohl niemand bezahlen. 
Die Schuhbranche zum Beispiel hat die Preise gut übernommen, ein gutes Paar Schuhe kostet schon mal 100 Euro, der Kunde nimmt das aber ohne weiteres hin. Deshalb müssen wir es bei Büchern auch schaffen, dass die Preise steigen, wir aber nicht immer weniger verkaufen.

Im internationalen Vergleich sind unsere Buchpreise übrigens sehr niedrig. Trotz niedrigerer Auflage als im englischsprachigen Raum sind die Preise im Vergleich immer noch deutlich geringer.


Wie teuer müsste ein Buch denn sein, damit der Buchhandel etwas davon merkt und wieder Gewinn machen kann? (TB/HC)

Das kann man so nicht sagen. Die durchschnittlichen Buchpreise sind nach Warengruppen unterschiedlich. Ein Jugendbuch kostet deutlich weniger als ein Roman, dieser ist günstiger als ein medizinisches Fachbuch.

Eines ist aber klar: Markenprodukte dürfen gern auch teurer sein. Für den Buchhandel heißt das, dass Bücher von groß eingeführten und bekannten Autoren auch mehr kosten dürfen.
Donna Leon verkauft sich auch für 23.90€ (Diogenes Verlag) gut. 
Eines steht aber fest: Im Taschenbuch müssen es mehr als 10 Euro werden.


Wenn die Bücher teurer werden - wer verdient dann daran? Buchhändler, Verlage und Autoren? 

Die ganze Kette verdient an den Preisen. Der Autor, die Verlage, die Barsortimente und natürlich auch der Buchhändler.


Wie viel sind die Leute denn bereit für Bücher zu zahlen? Sie haben im Börsenblatt einen tollen Vergleich mit den Preisen für z.B. einen Cappuccino gemacht.

Schwer zu sagen. Das hängt immer von Ausstattung, Wertigkeit und Inhalt des Buches ab. Und das ist ja gerade das Interessante bei der Preisfindung. 
Es gibt viele Überlegungen, wie man den Preis bekommt, den der Kunde bereit ist zu zahlen. Bücher müssen einfach mehr Wertigkeit bekommen, in dem wir die Preise anheben.
Für ein tolles Buch ist man sicher gern bereit mehr zu zahlen, es hängt aber immer auch davon ab, wie viel jeder verdient. 


Ich habe vorab meine Leser um Hilfe gebeten und gefragt, was die Bücher für Sie kosten dürfen. 
Zwar sind die Gehälter in den letzten Jahren gestiegen - die Lebenshaltungskosten aber auch. 

Wie gesagt, hat das Buch eine tolle Ausstattung, dann bezahle ich gern auch mehr! Der höhere Preis muss aber gerechtfertigt und dem Buch anzusehen sein.


Wie kann man den Wert der Bücher in den Köpfen der Leuten wieder höher stellen?

Auch hier ist das vor allem durch die Ausstattung der Bücher. Das liegt dann in der Hand des Verlages.


Einige Leser wünschen sich, dass Bücher keine „Discount-Ware“ werden. Wie ist das mit dem MA (Sonderangebote) vereinbar? Ist das überhaupt vereinbar? 

Die Sonderangebote müssen als anderer Markt angesehen werden.
Sie sind Restauflagen, die unverkäuflich sind, alte Auflagen oder Sonderangebote, die extra günstig produziert werden. Sie dürfen dann aber nicht im Vergleich mit dem normalen Buchmarkt gesehen werden. 
Leute machen gern auch mal ein Schnäppchen - und das bieten wir ihnen.

Die Personen, die sich teurere Bücher nicht leisten können oder wollen, lesen durch unsere trotzdem. Und vielen nehmen sie sogar die Schwellenangst. Durch die Sonderangebote kommen einige Leute überhaupt erst in unsere Läden.


Es wird schon seit längerem spekuliert, ob E-Books die Taschenbücher ersetzen werden. Was denken Sie?

Das E-Book kannibalisiert das Taschenbuch. Das sieht man deutlich an den Umsätzen. Diese sind zwar rückläufig, aber ersetzen wird das E-Book das Taschenbuch nicht.


Werden E-Books günstiger? Momentan liegt der Unterschied ja teilweise nicht mal bei 1.00€, bei anderen Büchern (Beispiel: Verachtung, Adler-Olsen: gebunden 19.99, E-Book 15.99).

Oft wird nicht verstanden warum E-Book-Preise nicht wesentlich günstiger sind. Die Preise von Büchern gehen aber gar nicht so stark von den Produktionskosten wie Druck und Bindung und Co. aus. Was den Preis wirklich bestimmt ist die Arbeit am Text: das Lektorat, das Layout und vieles andere, die Vermarktung. Das betrifft alles auch das E-Book. Zusätzlich kommt hinzu, dass die Verlage für den Vertreib von E-Books eine richtige „Infrastruktur“ aufbauen mussten. Diese muss ebenfalls gezahlt werden. Der größte Teil des Geldes, das für Bücher eingesetzt wird ist also auch beim E-Book vorhanden.


Sind E-Books preisgebunden? Welche MwSt. haben E-Books?

Ja, E-Books sind preisgebunden. 
Derzeit wird an einer Novellierung [also einer Neuerung] des Preisbindungsgesetztes gearbeitet. Dann wird auch die Preisbindung von E-Books enthalten sein.
Wegen einer EU-Richtlinie liegt die MwSt. noch bei 19%, die Bundesregierung und auch Herr Junker setzen sich aber für eine MwSt. von 7% ein. Das gedruckte Buch und das E-Book sind ja identisch. 
Andere digitale Produkte bleiben aber bei 19%. Hier geht es lediglich um E-Books.

Wussten Sie übrigens, dass Amazon seine E-Books über Luxemburg ausliefert? Dort liegt die MwSt. bei nur 3%. Dadurch hat Amazon mit jedem verkauften E-Book 16% mehr Umsatz, als jeder deutsche Buchhändler oder Verlag verdient.


Das ist wirklich viel!
Was würde denn passieren, wenn die Buchpreisbindung aufgehoben werden würde?

ich nehme erstmal vorweg: Alle sind für die Preisbindung. Nur durch sie kann den qualitativ einmaligen Buchmarkt in Deutschland geben.Ohne Preisbindung gäbe es weniger Buchhandlungen, weniger Verlage, und am Ende auch immer weniger Bücher. Das würde zu einer kulturellen Verarmung führen.
Die Preisbindung in anderen Bereichen der Wirtschaft wurde früher aufgehoben, damit der Verbraucher niedrigere Preise bekommt. Im Buchmarkt ist das anders. Die Bücher würden mehr kosten. Das erkennt man auch am Beispiel von England. Nachdem die Preisbindung dort aufgehoben wurde, konnten sich immer weniger Buchhandlungen durchsetzen. Richtige Buchläden findet man jetzt fast nur noch in den Metropolen. Bücher werden ja sogar im Supermarkt - und dort auch noch günstiger - verkauft. Trotz der wirklich großen Auflagen für den englischsprachigen Raum sind die Bücher im Vergleich aber dennoch teurer.


Es gibt immer noch viele Leute, die nichts von der Buchpreisbindung wissen. Gibt es vom Börsenverein bereits neue Aktions-Ideen, um die Buchpreisbindung bekannter zu machen? Ich denke da zum Beispiel an Aktionen wie „Vorsicht Buch“,...

Da ist vorerst nichts geplant. Eine Marketingkampagne ist für den Börsenverein sehr teuer. Innerhalb der Vorsicht-Buch Kampagne wird die Preisbindung immer wieder eine Rolle spielen, aber im Endeffekt muss der Buchhändler da auch viel mithelfen.


Und hier kommen jetzt noch ein paar Zusatzfragen:

Wie viel Aufwand steckt dahinter ein Unternehmen wie Osiander zu führen?

Arbeit hat immer mit Organisation zu tun. Wir geben als Geschäftsführer viel Verantwortung ab und entlasten uns damit. Wir haben derzeit eine zweite Verantwortungsebene. Das sind unsere 6 Bereichsleiter. 
Da wir ein Familienunternehmen sind wird auch hier die Last noch mal auf die einzelnen Geschäftsführer verteilt und man hat mehr Freizeit, als mein Vater damals hatte, der die Buchhandlung allein geführt hat.

Gibt es einen festen Tag für die Familie?

Meine Kinder sind längst außer Haus. Aber manchmal bedauere ich, dass ich früher nicht mehr Zeit für sie gehabt habe. Heute würde ich das anders machen.

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Sind für euch jetzt noch Fragen offen? Dann immer her damit. Ich freue mich auf eure Kommentare!

Abschließend noch einmal vielen Dank an Herrn Riethmüller für das spannende Interview!


Ich wünsche euch jetzt noch eine tolle Woche!


Bis bald,

eure Quietschie

3 Kommentare:

  1. Hey,
    ich finde einige Fragen des Interviews sehr interessant. Über Buchpreisbindungen usw. habe ich mir bisher nicht viele Gedanken gemacht. Allerdings ist mir neulich aufgefallen, dass auch die Taschenbuchpreise angestiegen sind.
    Allerdings finde ich, dass ein Mittelweg zwischen "Produktionskosten wieder rein holen" und ein Produkt möglichst so anzubieten, dass es sich jeder leisten kann, gefunden werden muss. Ich denke, wenn die Preise zu sehr ansteigen, wird das Buch zum Luxus, viele werden sich dann entweder nicht mehr für das Lesen an sich begeistern können, oder sich nach anderen - mit viel Pech - auch illegalen Mitteln umschauen, um an ihr Wunschbuch zu komme.n
    Ich bin jedenfalls gespannt, wie sich der Markt weiterhin entwickelt.
    viele Grüße
    Emma

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    1. Hallo liebe Emma,

      ganz lieben Dank für deinen Besuch und dein Kommentar. Es freu mich riesig, das wir dich hiermit ein bisschen neugierig gemacht haben und es ist ja auch durch aus ein ernstes Thema.

      Ich habe leider auch wie du die Angst, oder die Befürchtung, das Lesen wieder ein Luxusgut werden könnte, aber ich kann es auch verstehen das auch dieser Markt von etwas Leben muss... Lassen wir uns doch überraschen was die Zukunft bringt und hoffen, das Bücher nie nach lassen ...

      Ganz liebe Grüße
      Sharon

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    2. Liebe Emma,
      vielen Dank für den lieben Kommentar.
      Auch ich kann voll und ganz verstehen, dass Bücher nicht zu teuer werden. Wenn die Preise aber nicht in nächster Zeit anstiegen, kann es gut passieren, dass es bald immer weniger Bücher und dann nur noch von einer kleinen Hand voll Autoren erscheinen. Das möchte natürlich auch keiner. Wenn die Bücher also 1-2 Euro mehr kosten ist das sicher ein Preis, der von den meisten noch bezahlt werden kann.

      Wie du schon sagst: Ein Mittelweg muss gefunden werden und ich glaube wir alle würden gern wissen, wie der aussieht!

      Viele Grüße,
      Quietschie

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