Mittwoch, 30. Juni 2021

Rezension: Lea Coplin * Mit dir leuchtet der Ozean

Broschiert: 336 Seiten
Verlag: dtv 
ISBN-13: 978-3423740708     
Preis: 12,95 EUR   
E-Book: 4,99 EUR 
Reihe: 1/1
Erscheinungsdatum: Juni 2021

  
 
 
 
 
Inhalt:
Fuerteventura ist für die nächsten Monate Pennys Neues zu Hause und Arbeitsfeld, denn sie jobbt in einem All-inclusive-Club. Eigentlich mit ihrer besten Freundin, aber diese musste sich ja kurz vorher ein Bein brechen. Penny hätte am liebsten alles hingeschmissen, aber sie will raus aus ihrem Leben und warum nicht auf einer Urlaubsinsel arbeiten. Nie im Leben hätte sie gedacht, das sie ihre eigene Vergangenheit hier einholen könnte, denn ausgerechnet hier begegnet sie Milo wieder. Milo, der kurz auf ihrer Schule war, mit diesem Milo sie einen unvergesslichen Kuss verbindet und dessen Freundin nun ihre Zimmergenossen für die nächsten Monate ist. Penny fühlt sich wie vom Regen in die Traufe gekommen und ihr Plan, allem aus dem Weg zu gehen, ist zum Scheitern verurteilt. Denn nicht nur Penny sucht Milos Nähe, nein, auch er ist gern in ihrer Gegenwart. So steuern sie beide auf eine Katastrophe zu, aber wie soll man Gefühle niederringen, wenn sie doch so übermächtig sind. Was ist damals zwischen Milo und Penny passiert? Wie gehen sie jetzt mit ihren Gefühlen um? Und welche Schatten liegen auf ihren Seelen?

Die Temperaturen steigen, der Sommer ist da und ist es da nicht die perfekte Zeit für eine Lovestory. Ich lese ja eigentlich nicht oft Liebesgeschichten, aber Lea Coplin hat mich letztes Jahr schon begeistert und mit auf ein Festival nach England genommen, diesmal fliegt sie mit uns nach Fuerteventura in den Solana Sunshine Club und zu zwei Menschen, die sich nicht zum ersten Mal begegnen. Ob mir diese Geschichte genauso gut gefallen hat wie „Für eine Nacht sind wir unendlich“, erzähle ich euch jetzt.

Wir haben da Milo, der in seiner Vergangenheit Trauriges erlebt hat und immer noch nicht wirklich angefangen hat, es zu verarbeiten. Zu Hause wehen schlimme Gerüchte um ihn herum, und der Ruf, dass er kriminell ist, haftet an ihm, deshalb ist er auch nach Fuerteventura gekommen, um einfach unbedarft zu sein. Nur das er auch hier eine Maske trägt und zwar die des freundlichen, zuvorkommenden Servicemitarbeiters. So ist er auch mit Helena zusammen, weil diese ganz herrlich oberflächlich strahlt und ihn mit ihrer Art das Leben leicht und strahlend erscheinen lässt. Milos Inneres ist alles andere als leuchtend.

Penny trägt auch dunkle Wolken um sich herum, sie hat ihr Psychologiestudium abgebrochen, weil sie sich selber mehr analysiert als alles andere und das ihr mehr Sorgen bereitet, als es gut für einen ist. Außerdem nervt sie gerade ihre Familiensituation an und der Vorschlag ihrer besten Freundin auf Fuerteventura zu arbeiten, um sich Zeit und neue Orientierung zu nehmen, klang richtig gut. Nun steht sie aber allein mit ihren Koffer vorm Hotel und muss sich allen stellen, da die Freundin zu Hause mit gebrochenem Bein sitzt. Und als ob sie das nicht allein schon alles überfordert, begegnet sie auch noch Milo. Den Jungen, den sie geküsst hatte und dieser Kuss hätte doch so viel mehr werden können. Doch daraus wird auch diesmal nichts, denn Penny teilt ausgerechnet mit Helena ein Zimmer.

Hier haben wir also zwei junge Menschen, deren Start in das Erwachsensein nicht unbedingt leicht gemacht wird. Da sieht man mal wieder, welche Auswirkungen die Familie auf Kinder hat und welche Blockaden da entstehen können. Milo wird von Selbstzweifeln aufgefressen, Penny kann manches nicht Verzeihen und beide reiben sich daran auf und verlieren sich selbst darin. Dazu kommt, das sich beide zwar durch ihren Kuss aus der Schulzeit tief berührt haben, aber nie miteinander gesprochen, so ist das Wiedersehen auch nicht gerade erfreulich, da beide nicht wissen, wie sie mit dem anderen umgehen soll und dann auch noch Helena, die komplett zwischen allen steht. Wie kann man also Gefühle zu lassen, ohne jemanden zu verletzten, leichter haben es Milo und Penny mit Sicherheit auch auf Fuerteventura nicht.

Lea Coplin schafft hier wieder einen schönen Rahmen, Meer rauschen, Sand in der Luft und herrlich süffige Cocktails. Somit steht der sommerlichen Lektüre nichts im Weg. Dazu noch eine Liebesgeschichte, die sich mehr Zeit lässt, verzwickt ist und zum Tauziehakt wird. Leicht zu lesen, leicht mitzufiebern und sich selbst aus dem Alltag rauszuträumen. Allerdings konnte es mich nicht so packen wie das Musikfestival letztes Jahr. Vielleicht hat mir der Knall zu lange gedauert, oder der zweite Kuss, vielleicht war mir das Ende zu nett, ich kann es nicht genau beschreiben, aber es hat nicht ganz gefunkt. Trotzdem hatte ich richtig guten Lesespaß und ich finde für den Sommerbeginn ein perfekter Einstieg.

Mit dir leuchtet der Ozean war eine leichte, sommerliche, wohlfühl Lektüre, die Lust auf mehr macht und gut mitfiebern lässt, so ein Kuss muss ja auch erst mal geküsst werden.
 
Henry und ich haben nun Sommerfeeling und Lust auf Sonne und Strand, somit gibt es vier Bücherpunkte:

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Über die Autorin:
 

 
Lea Coplin ist das Pseudonym einer Autorin, die mit ihren Romanen bereits mehrfach auf der Spiegel-Bestsellerliste stand. Mehr als fünfzehn Jahre arbeitete sie als Journalistin, bevor sie sich für die Schriftstellerei entschied. Sie liebt es, flatternden Schmetterlingen und gebrochenen Herzen nachzuspüren und die Tiefen des Ozeans auszuloten. Lea Coplin lebt mit Mann und Katzen in München.
 
 
Vielen lieben Dank an den dtv Verlag für dieses Rezensionsexemplar.
 

Montag, 28. Juni 2021

Rezension: Catalina Ferrera * Spanischer Totentanz


Taschenbuch: 336 Seiten
Verlag: Droemer Knaur 
ISBN-13: 
978-3426306581
Preis: 9,99 EUR
E-Book: 9,99 EUR
Reihe: 2. Teil
Erscheinungsdatum: März 2019
 
 
 
 
Inhalt:
Karl Lindberg ist nun wirklich hochoffiziell ein Mitglied der Mossos d‘Esquadra und am Tag seiner Vereidigung, was ein Tag der Freude sein soll, ist von seinem Partner Alex Diaz keine Spur. Erst zur Feier seines Kollegen taucht dieser auf, aber nicht um zu gratulieren, sondern um Karl abzuholen, da sie einen neuen Mordfall haben. Der Tatort könnte nicht passender sein als der riesige Friedhof, dem Cementiri de montjuic. Dort wird ein erzkonservativer Politiker in einer Gruft gefunden, für beide ist sofort klar, das wird kein leichter Fall. Tja, und die Chefin ärgert sich mächtig, da sie ausgerechnet dieses Team losgeschickt hatte und sie mit Druck und Presse nicht gut umgehen kann. So werden Karl und Alex von allen Seiten beschossen und bevor sich die Ermittlung in eine Bahn lenken lässt, wird auch schon ein weiteres Opfer gefunden. In Barcelona werden Gerüchte laut und der Aberglaube schlägt zu, in der Stadt geht der Teufel um und unsere Ermittler haben alle Hände voll zu tun. Finden Karl und Alex einen Ansatz für diesen Fall? Welche Verdingung haben die beiden Toten? Und können sie sich auch bei diesem Fall beweisen?

Meinung:
Viel zu lange habe ich dieses Schätzchen liegen lassen und dabei hatte mir der Auftakt so gut gefallen. Für mich passte die ganze Mischung aus Fall, Lebensgefühl und privat Leben. Man ist förmlich mit dabei und erlebt die Straßen von Barcelona hautnah im Kopf mit und allein das Lebensgefühl machte einen urlaubsreif. So klappte ich das Buch auf und war sofort wieder mittendrin und ob ich genauso erfreut die Seiten verlassen habe, erzähle ich euch nun.

Karl Lindberg hat es wirklich gemacht, er hat Fortbildung, Papierkrieg und jede Menge Unglaube auf sich genommen und ist das erste unkatalanische Mitglied der Mossos geworden. Einmal Polizist, immer Polizist und seine Familie atmet auf, da er nun endlich wieder eine Aufgabe hat. Dabei gibt es auch in seinem Privatleben einige Neuigkeiten, die Karl auf Trap halten könnten, aber so ganz ohne seinen Schwager geht es wohl doch nicht. Nun eilt er also mit Uniform und Alex zum Friedhof Cementiri de montjuic und ist wieder von der Größe dieser Stadt der Toten beeindruckt. Allerdings ist aus dem kleinen Mal eben vorbeischauen, was die Touristen da entdeckt haben, ein Mordfall geworden. Und die Presse steht auch nicht weit entfernt. Der Tote ist auch noch ein Politiker, dem die ganze Stadt gern am Pranger sehen möchte, da er für einige Touristenattraktionen verantwortlich ist. Sprich, der Kreis der Verdächtigen ist riesig, aber Karl geht nach Protokoll vor und lässt sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Schwere Fälle benötigen einen kühlen Kopf und ein gutes Team. Das hat Karl und Alex um sich, wenn nur Marla wieder auftauchen würde.

Catalina Ferrera hat mich wieder um den Finger gewickelt, sie schafft es einfach, einen gelungenen Spagat zwischen Spannungslektüre und kleinen Reiseführer hinzubekommen. Da lernt man zwischendurch etwas über die Stadt, Traditionen und Lebensart und ist trotzdem ganz nah am Fall. Natürlich hat man ständig Hunger und sehnt sich nach dem nächsten kühlen Bier, na ja, Karl eher Wein. Dazu die temperamentvollen Spanier mit ihrer Lebenslust und Energie. Karl als Halbire sticht ja immer heraus, und trotzdem merkt man ihm an, wie wohl er sich in dieser lebendigen Stadt fühlt und das er mit diesem Standortwechsel nun gut klar kommt. Und nicht nur die Stadt ist hier großes Programm, nein, die Autorin lässt auch ihre Figuren immer mehr zusammenwachsen. Nicht nur für Karl und seine Frau gibt es freudige Erwartungen, nein, auch Alex, der Frauenschwarm, ist immer noch in die Pathologin verliebt und viele weitere tolle Figuren tauchen auf und wachsen ans Herz.

Dazu noch der Fall, der zuerst recht verzwickt wirkte und doch war mir relativ schnell klar, wer hier der Täter ist. Hat es mich diesmal gestört, irgendwie überhaupt nicht, ich sah‘s in der ersten Reihe und wartete, wann hier wohl der Groschen fällt und fand es herrlich, selbst ein Mitglied der Mossos zu sein, allerdings hat man mir keine Taps-Platte angeboten. Somit passte wieder alles zusammen Spannung, Atmosphäre und Lesespaß, besser könnte es nicht sein. Wer solche Krimis mag, wie ich, der muss unbedingt nach Barcelona.

Spanischer Totentanz hatte wieder alles Spannung, Atmosphäre, Humor und Charme. Perfekt für heiße Tage und ein bisschen Urlaubsfernweh. Kann ich nur empfehlen.
 
Henry und ich mögen die Reihe nun noch lieber und deshalb gibt es die vollen Bücherpunkte:

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Über die Autorin:
 

 
Catalina Ferrera ist das Pseudonym von Eva Siegmund, 1983 in Bad Soden geboren. Sie arbeitete als Kirchenmalerin, Juristin und Verlagsmitarbeiterin, bevor sie sich voll und ganz dem Schreiben widmete. Für ihre Kurzgeschichten hat sie bereits zahlreiche Preise gewonnen. Ferrera lebt in Barcelona und Berlin. 
 
 
Barcalona-Krimi-Reihe:
 

1. Teil: Rezension I 3. Teil I 4. Teil


Vielen lieben Dank an den Droemer Knaur Verlag für das  Rezensionsexemplar.

Mittwoch, 23. Juni 2021

Rezension: Beatrix Kramlovsky * Fanny oder das weisse Land

Gebundene Ausgabe: 304 Seiten
Verlag: hanserblau
ISBN-13: 
978-3446267978
Preis: 23,00 EUR
E-Book: 16,99 EUR
Reihe: 1/1
Erscheinungsdatum: Oktober 2020  
 
 
 
 
Inhalt:
Der Erste Weltkrieg hat Karl in Kriegsgefangenschaft gesetzt und nun sitzt er seit 1914 in Ostsibiren fest. Erbarmungslos müssen er und seine Mitgefangenen der Kälte und dem Hunger widerstehen, und das Einzige, was Karl aufrecht hält, sind seine Sehnsucht nach Fanny, nach Wien, nach dem gemeinsamen Sohn. Er kennt jedes Wort ihrer Briefe auswendig und trägt sie in seinem Herzen, deshalb beschließen er und seine Kameraden im Mai 1918 auszubrechen und sich auf den Weg in die Heimat zumachen. Ein Weg, der sie zehntausend Kilometer auf Trab hält, der sie ständig in Gefahr bringt und es immer schwerer macht, dem Gegner nicht in die Arme zu laufen. Was alle weiter machen lässt, ist die Sehnsucht nach daheim und ihr Zusammenhalt. Werden Sie es nach Wien schaffen? Wie lange wird die Reise dauern? Und können sie die Schrecken überstehen?

Meinung:
Momentan lese ich unglaublich gern Bücher mit geschichtlichen Hintergrund, dabei habe ich sonst um alles, was mit Krieg zu tun hat und das Leben um 1914-1945 einen Bogen gemacht. Zu schwere Kost, zu viel Leid, zu viel böse Geister. Aber ist es nicht so das Bücher aufarbeiten, schlimme Geschehnisse uns nicht vergessen lassen und Fehler sich nicht wiederholen sollen. Menschliche Schicksale und deren Kampf können ja auch positives Transportieren und Kraft spenden, das der Mensch doch einiges überstehen kann. Dieses Buch allerdings ist eine Perle, die es schafft, schlimmste Geschichte zu erzählen und das so poetisch und mit Liebe, das es schmerzt, aber genau richtig. Ihr seht, ich bin hier richtig begeistert und versuche es nun auch noch in Worte zu fassen.

Karl sitzt mit seinem Bruder Viktor in Sibiriens Gefangenenlager fest und mit diesem haben sie sogar noch Glück. Die Brüder und ihre Kameraden müssen sich keine überfüllte Baracke teilen, da sie die Kulissen fürs Theater bauen, somit ist das eine oder andere an Vergünstigungen drin. Und trotzdem zieht es sie nach Hause, zu ihren Lieben, denn das Warten auf ihre Freilassung wird zur Qual. Gleichwohl zweifeln sie auch, ob sie den Ausbruch wagen sollen, immerhin trennen sie zehntausend Kilometer von der Heimat und die Gefahren sind nicht einzuschätzen. Aber das Ausharren macht sie unruhig und so wagen die sechs Freunde die Flucht und das Abenteuer durch Russland nach Hause.

Und diese Reise aus Gefahren, Entbehrungen, Kampf, Überleben und immer wieder neue Kraft fürs Weiterkommen sammeln, erzählt die Autorin einfach großartig. Sie schickt Karl ins Vorfeld, dieser Mann, der durch seine Kunst zu einem gewissen Ruf gekommen ist, hält alle damit über Wasser. Er malt, wo zu malen ist, er baut Spielzeug, wenn es verlangt wird und das mit solch einer Intensität und Kunst, das dies ihr Überleben öfters sichert. Diese Reise wird sie aber trotzdem einiges kosten und erst 1921 enden. Hier lässt die Autorin ihre Figuren einiges erleben, was erschreckt, was einem nahe geht, was die Schrecken des Krieges immer wieder offenbart. So ist diese Geschichte ein gut ausbalancierter Akt zwischen Realität und Fiktion und könnte wirklich so gewesen sein. Was mich geschichtlich auch immer erschreckt ist, das Männer für ihr Land gebrochen zurückkehren und nicht wieder ins Leben finden und einfach vergessen werden. Ein Roman, der für die vergessenen Kriegsgefangen steht und zeigt, dass diese nicht vergessen sind.

Mir hat die gewählte Sprache der Autorin unglaublich gutgefallen, aufwühlend, erdrückend, kraftvoll und doch gleichzeitig sanft, melodramatisch und poetisch zugleich. Da fragt man sich, wie das bei einer Kriegsgeschichte funktionieren kann und das ist ganz einfach, der Motor von Karl ist die Liebe und die Sehnsucht, dass daheim die Frau auf ihn wartet und das lässt manches Grauen, so schlimm es ist, abmildern, ertragen, weitermachen. Toll gezeichnete Bilder, atemberaubende Kälte und Liebesbriefe, die einen tief berühren. Dazu noch das Ende, was für mich die Geschichte nochmals glaubwürdig abrundet. Ganz große Erzählkunst, die einen nicht kalt lässt.

Fanny oder das weiße Land ist ein berührender, packender und menschlicher Roman über das Überleben und die Kraft der Liebe. Geschichte, die wichtig ist und dem Menschen Hoffnung schenkt.
 
Henry und ich fanden die Sprache, die Erzählung einfach großartig und dafür gibt es die vollen Bücherpunkte:

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Über die Autorin:
 

 
Beatrix Kramlovsky, geboren 1954 in Oberösterreich, lebt als Künstlerin und Autorin in Niederösterreich. Sie studierte Sprachen und veröffentlichte Kurzgeschichten, Gedichte und Romane. Ein Aufenthalt in Ostberlin (1987-1991) führt zu einem Publikationsverbot in der DDR. Sie wurde mit zahlreichen Preisen und Stipendien ausgezeichnet. Neben ausgedehnten Reisen liebt Beatrix Kramlovsky die Arbeit in ihrem großen Garten. 2019 erschien ihr Roman Die Lichtsammlerin bei hanserblau. 
 

Vielen lieben Dank an den hanserblau Verlag für das  Rezensionsexemplar.
 

Montag, 21. Juni 2021

Rezension: Oliver Pötzsch * Das Buch des Totengräbers

Broschiert: 448 Seiten
Verlag: Ullstein
ISBN-13:
978-3864931666
Preis:16,99 EUR
E-Book: 13,99 EUR
Reihe: 1. Teil
Erscheinungsdatum: Mai 2021
 
 
 
 
Inhalt:
1893: Leopold von Herzfeldt ist ein aufstrebender junger Mann, in Graz ist er schon Untersuchungsrichter und glänzt mit einer einmaligen Karriere, und trotzdem lässt er sich nach Wien versetzten. Dort ist er erst mal nur Inspektor und gerät direkt beim ersten Auftritt auch direkt mit den Kollegen aneinander. Denn Leo wendet moderne Tatortanalysen an und statt das seinen neuen Kollegen zu vermitteln, kommt er überlegen und arrogant daher. So wird er auch bald von den Pfahl-Morden abgezogen und soll sich um eine Leiche auf dem Zentralfriedhof kümmern. Dieser Tote zeigt nämlich Anzeichen von einer Straftat auf, denn sie wurde lebendig begraben. Somit ist der Start alles andere als geglückt, aber bald überschlagen sich die Geschehnisse und Leopold von Herzfeldt muss auf vielen Ebenen ermitteln. Wird das Wissen von Totengräber Augustin Rothmayer dabei helfen können? Hängen die Fälle irgendwie zusammen? Und kann sich Leopold beweisen?

Meinung:
Oliver Pötzsch ist bekannt für seine Henkerstochter-Serie, die ihn bekannt gemacht hat und wurde sogar in Amerika zum Superstar. Dabei hatte ihn wohl seine eigene Familiengeschichte auf die Idee gebracht, denn ein Vorfahre war wirklich ein Henker. In mehr als 20 Sprachen wurde die Reihe übersetzt und somit habe ich eine verdammt hohe Erwartung an den Autor. Immerhin nimmt er uns mit nach Wien und da ich diese Stadt einfach liebe, war ich extrem gespannt auf seine Geschichte. Ob mir diese gefallen hat, erzähle ich euch nun.

Obwohl im Verlagsklappentext von Augustin Rothmayer mehr gesprochen wird, ist die wirkliche Hauptfigur Leopold von Herzfeld. Jung, dynamisch, von sich selbst überzeugt und doch unsicher. Er fällt mit seiner eleganten Kleidung und mit seiner hochdeutschen Sprache auf, so gewinnt er die neuen Kollegen nicht wirklich für sich und kann die neuen Methoden der Ermittlungstechnik nicht vermitteln. Also ein schwerer Start steht im bevor und eine Existenz am Rande es Teams, dabei steht er mächtig unter Druck. Vom Vorgesetzten extra aus Graz geholt, eine erfolgreiche Karriere liegen gelassen und nun die hohen Erwartungen auf seinen Schultern, dazu passieren ständig ungeschickte Dinge und sein Ruf gerät mächtig in Schieflage. Dazu dann noch dieser komische Kauz von einem Totengräber, muffig, eigenbrötlerisch und nicht abschüttelbar. Augustin Rothmayer ist ein Mann seines Fachs, er nimmt die Toten ernst, ihm kann man nichts vormachen, denn er kennt sich bestens aus. So ist er ein kluger Kopf und eine Persönlichkeit, die sich in Geheimnissen einhüllt und immer wieder überrascht. Tja, und dann noch schnell die dritte Hauptfigur benennen und das ist Julia Wolf, sie ist Telefonistin bei der Polizei mit zweifelhaften Ruf. Julia und Leopold geraten zusammen ins Fadenkreuz ihrer Vorgesetzten und kommen sich mit der Zeit näher als zuerst erwartet.

Wien um 1893 ist schon ein spannendes Pflaster, Elektrizität und moderne Technik hält Einzug. Da gibt es Telefone, Kameras, Fahrräder, Automobile und die Welt verändert sich. So auch die polizeilichen Ermittlungen, während das kleine Graz ganz weit vorne ist, hält sich Wien noch am altbewährten fest, deshalb soll auch Leopold von Herzfeldt neuen Wind in die Ermittlungsarten bringen, aber leider ist sein Start nicht gelungen und es schlägt ihm ein ganzer Sturm entgegen. Dazu noch sein empfindliches Wesen, er steht unter Druck und leistet sich doch einige Fehler und was mir extrem schwergefallen ist, seinen klugen Kopf zu finden. Immerhin war er ja schon eine Persönlichkeit aus Graz, aber in Wien musste man ihn ständig auf die Beine helfen und ich mag es nicht, wenn Figuren dann auch noch so deppert rüber kommen. Manche Spuren leuchteten neongelb auf und er schlägt sich an den Kopf und meint, warum ist er nur selbst nicht darauf gekommen. Einmal ist ja noch okay, aber hier ist es doch öfters. Dann Julia Wolf, ein Wolf im Schafspelz, eine Frau mit anrüchigen Ruf und doch ihrer Zeit voraus. Ich fand sie schon etwas überzeichnet, da waren mir einfach zu viele Klischees im Umfeld. Die beiden erinnerten mich ein bisschen an die Serie „Babylon Berlin“ und das hat mir hier nicht so gut gefallen. Wer mir am besten gefallen hat, war Augustin Rothmayer, schrullig und gleichzeitig schelmig, ein Griesgram mit großem Herz. Der in seinen Almachen den Tod auf den Grund geht, es lebe die forensische Anthropologie. Mich erinnerten die Beschreibungen an den Autor Simon Beckett und damit wird auch sogar geworben, ach ich weiß nicht.

Obwohl das Buch schon einige begeisterte Stimmen bekommen hat, kann ich mich nicht ganz anschließen. Einiges hat mir richtig gut gefallen, aber anderes eben auch nicht, es hält sich so die Waage. Manches fand ich zu fett aufgetragen, zu viele Klischees, dazu noch die freie Verwendung von historischen Figuren und im Nachtrag der Satz, man schreibe ja kein Sachbuch, ist bei mir nicht so gut angekommen. Ich finde, man sollte da schon bei der Geschichte bleiben und lieber nicht was fiktional dazu dichten, statt Personen etwas anzuhängen. Aber das ist ja alles Geschmackssache. Die Geschichte um und über den Zentralfriedhof ist allerdings gut eingeflochten und passte dazu. Da war also mein erster Roman von Oliver Pötzsch und ich weiß nicht so richtig überzeugt hat er mich nicht, auch wenn am Ende die Fälle noch interessanter wurden und knifflig. Mit Leo und Julia bin ich nicht warm geworden.

Das Buch des Totengräbers ist eine Mischung aus „Babylon Berlin“ mit Wiener Schmäh und einen Dr. Hunter der Frorensik für mich nicht ganz rund und überzeugend, aber der Totengräber ist klasse.
 
Henry und ich hatten wohl zu hohe Erwartungen, leider konnten diese nicht erfüllt werden, so nur drei Bücherpunkte:

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Über den Autor:
 

 
Oliver Pötzsch, Jahrgang 1970, arbeitete nach dem Studium zunächst als Journalist und Filmautor beim Bayerischen Rundfunk. Heute lebt er als Autor mit seiner Familie in München. Seine historischen Romane haben ihn weit über die Grenzen Deutschlands bekannt gemacht: Die Bände der "Henkerstochter"-Serie sind internationale Bestseller und wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt. 
 
 
 Vielen lieben Dank an den Ullstein Verlag für das  Rezensionsexemplar.