Mittwoch, 22. September 2021

Rezension: Jasmin Schreiber * Der Mauersegler

Gebundene Ausgabe: 240 Seiten
Verlag: Eichborn
ISBN-13:
978-3847900795
Preis: 22,00 EUR
E-Book: 14,99 EUR
Reihe: 1/1
Erscheinungsdatum: August 2021
 
 
 
 
Inhalt:
Prometheus ist auf der Flucht vor seinen Taten, vor den Konsequenzen, vor seinen Gefühlen und vor sich selbst. Der Polizei, seinen Eltern, seiner Freundin und den Eltern seines besten Freundes. Am Ende landet er an einem dänischen Strand und bleibt mit seinem Auto im Sand stecken. Und bevor er sich versieht, weckt ihn ein Pony auf und er wird von zwei Frauen aufgesammelt und landet auf ihren Ponyhof mit Pension. Dort darf er bleiben, ohne Fragen zu beantworten, denn jeder darf seine Geheimnisse für sich allein behalten. Was ist mit Prometheus los? Was hat er getan? Und welche Vergangenheit verbergen die beiden Frauen?

Meinung:
Mit ihrem Debüt „Marianengraben“ konnte mich die Autorin total begeistern, wie man über Trauer und Verlust schreiben kann und doch der Humor und die Hoffnung nicht verloren gehen ist einfach verdammt gut umgesetzt und macht solch eine Freude zu lesen. Also ist ja wohl absolut verständlich, dass ich ihren zweiten Roman auch lesen musste und ob mir dieser gefallen hat, erzähle ich euch nun.

Wir haben hier Prometheus, einen aufsteigenden Arzt, ein Kerl, der es im Leben geschafft hat und die Karriereleiter hochklettert, aber kennenlernen wir ihm am tiefsten Punkt seines Lebens. Weinend, schreiend und der Moment, wo das eigene Leben keinen Sinn mehr macht. Aber wie kam es dazu? Wie konnte aus dem kleinen Jungen, der mit seinem toten Hund zu seinem besten Freund geht, um dieses zu bestatten, zu einem Mann werden, der alles verliert und an seiner Schuld zugrunde geht. Das erfahren wir Stück für Stück in Rückblenden, die Prometheus Leben beleuchten und seine Freundschaft zu Jakob erzählen. Aber zuerst landen wir in Dänemark und wie verzweifelt sich Prometheus fühlt und das er sich sogar von Natur, Landschaft und Tier beobachtet fühlt. Alles klagt ihn an, alle zeigen mit dem Finger auf ihn und doch gibt er sich genau dort seinen Gefühlen hin und weint, bricht zusammen und findet doch etwas zur Ruhe und sich selbst.

Diese Geschichte widmet sich auch wieder den Themen um Krankheit, Trauer und Tod, setzt aber noch anders an und bezieht Reue, Schuld am eigenen Handeln und falsche Ambitionen mit ein. Wie schon im Debüt ist man überwältigt von den Emotionen und man selbst durchläuft so eine ganze Reihe eigener Gefühle, dazu, Wut, Traurigkeit, Fassungslosigkeit, Ohnmacht und jede Menge Liebe. Jasmin Schreiber hat ein tolles Talent, einen solche Gefühle zu transportieren und doch schafft sie es auch immer wieder, den Leser zum Lachen zu bringen. Obwohl sie hier doch auch ernster und erwachsener schreibt. Sich eine Figur nimmt, die nicht unbedingt allen sympathisch ist und mit dieser Figur auch zeigt, was Erfolg und Karrieredenken aus einem macht. So setzt sie auch ihre Geschichte in Szene während wir Prometheus langsam kennenlernen und seine Rückblenden miterleben, ist er dort ein ganz anderer Mensch. Steht im Alltag im Krankenhaus, in der Forschung mit beiden Beinen auf den Boden und ist zu seiner Umwelt nicht immer nett. Für Privates hat er keine Zeit, sein Ziel ist immer Höher und schneller nach ganz oben zu gelangen. Nun steht er orientierungslos im Nichts, spricht mit Ponys und Bäumen und hadert mit seinem Handeln. Diese Gegensätze sind so wunderbar herausgearbeitet und geben den Roman eine ganz besondere Tiefe.

Aber Jasmin Schreiber hat hier nicht nur einen Verlorenen als Hauptprotagonist, sondern stellt ihn ein Frauenpaar zur Seite Aslaug und Helle. Helle ist hier der mütterliche Typ und sehr spirituell, was herrlich zu lesen ist. Aslaug dagegen spürt sofort, was mit Prometheus los sein könnte und führt ihn mit ihrer etwas rauen Art durch seine Trauer hindurch und gibt ihm Aufgaben, die vielleicht helfen können. Dazu schreibt die Autorin noch ganz wunderbare Vergleiche und Metaphern mit hinein, die beim Lesen zum Schmunzeln einladen und die Traurigkeit im Zaun halten. So steht nicht nur der Verlust eines geliebten Menschen im Raum, sondern auch der Umgang mit seinen Taten. Wie kann ich mit der Schuld leben und wie dazu stehen, um meinen Mitmenschen wieder in die Augen schauen zu können. Großartig erzählt, klug, feinfühlig und nicht wertend und die Mauersegler einfach ein toller Spielball mit vielen Deutungsmöglichkeiten.

Der Mauersegler ist wieder tiefgehend, emotional und traurig schön. Diese Autorin kann über Trauer und Tod schreiben und dabei die Balance zwischen Humor und Hoffnung perfekt halte.
 

Henry und ich waren von der Wucht der Gefühlen beeindruckt und somit gibt es die vollen Bücherpunkte:

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Über die Autorin:
 

Jasmin Schreiber, geboren 1988, ist studierte Biologin und arbeitet als Schriftstellerin. Ihr Bestseller MARIANENGRABEN war das erfolgreichste belletristische Debüt 2020, im März 2021 folgte ihr humorvoll erzählerisches Sachbuch ABSCHIED VON HERMINE, das sich ebenfalls in der SPIEGEL-Bestsellerliste platzieren konnte. Im Wissenschaftspodcast BUGTALES.FM erzählt sie von Nacktmullen, Bärtierchen und Walexplosionen. Gemeinsam mit einer absurden Anzahl an Tieren lebt Schreiber in Hamburg und macht das Internet auf Twitter und Instagram unter @LaVieVagabonde unsicher.

 
 

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