Mittwoch, 9. Februar 2022

Rezension: Graham Norton * Heimweh


Gebundene Ausgabe: 384 Seiten
Verlag: Kindler
ISBN-13:
978-3463000244
Preis: 22,00 EUR
E-Book: 14,99 EUR
Reihe: 1/1
Erscheinungsdatum: Oktober 2021
Übersetzer*in: Silke Jellinghaus und Katharina Naumann


 
 
Inhalt:
1987 ist das Jahr, was einen ganzen Ort verändert. Es ist ein wunderschöner irischer Sommertag und sechs junge Menschen beschließen zusammen zum Strand zu fahren und auf der Rückfahrt passiert das Unglück. Drei von ihnen sterben noch vor Ort, darunter das junge Brautpaar, was am nächsten Tag heiraten wollte und ihre Brautjungfer. Die Schwester der Brautjungfer ist so schlimm verletzt, das sie im Koma liegt und nur der Arztsohn Martin und Connor, der gar nicht zur Gruppe gehört, überleben den Unfall kratzerfrei.  Der ganze Ort Mullinmore steht unter Schock und die Bar Hayes von Connors Eltern bleibt fürs Erste geschlossen. Wie soll man mit dem Drama umgehen, wie soll ein Ort zusammen finden und wie geht man nun mit Connor um? Nach dem Prozess schicken Connors Eltern diesen nach Liverpool und dann verschwindet er ganz aus dem Leben seiner Familie. Wo geht er hin? Welche Beweggründe führen ihn? Erst Jahre später treffen sich in New York zwei Iren in der Bar und lösen damit jede Menge dramatische Ereignisse aus. Wird Connor nach Mullinmore zurückkehren? Was hat er erlebt? Und was ist 1987 tatsächlich passiert?

Meinung:
Graham Norton ist in England ein Star. Für mich somit eher unbekannt, aber als Autor hat er sich mir ins Gedächtnis geschrieben. Ich habe sein Debüt geliebt, sein zweites Buch verschlungen und ganz klar musste ich sein drittes Werk lesen. Nun endlich habe ich es getan, so mit einem Hundebaby gar nicht so einfach, aber es hat mich wieder gepackt. Sein unglaubliches Feingefühl für Figuren ist einfach grandios und ich nehme es einfach vorweg, es war große Klasse.

Der Beginn dieses Romans steht ganz im Zeichen der Vorbereitung für die Hochzeit des jungen Brautpaares. Die Mutter überdenkt die Blumen, die Nachbarin muss noch ein passendes Kleid besorgen, während gleichzeitig das Unglück passierte. Im Kreisverkehr verliert der Fahrer die Kontrolle über sein Fahrzeug und drei Menschen verlieren ihr Leben. Wie ein Lauffeuer geht es durch den Ort, Schock, Trauer und auch Wut über den Fahrer breiten sich aus. Es war ein Unfall, aber was hat es diesen Ort gekostet. Die Bar Hayes von Connors Eltern bleibt erst mal geschlossen. Statt einer Hochzeit findet eine Beerdigung statt, und zwar sind die Eheleute Hayes eingeladen, aber Connor möchte keiner sehen. So überlegen die Eltern von Connor, ihn wegzuschicken und hoffen, dass ein Neuanfang irgendwo anders für ihn das Beste ist. Das er für Jahrzehnte verschollen geht, damit haben sie nicht gerechnet.

Connor Hayes ist ein junger Mann, der sich ruhig verhält, eher im Hintergrund bleibt und nicht viele Freunde hat. Er hat sich selbst noch nicht richtig gefunden und auch Angst, manches in seinem Leben zuzulassen. Eigentlich steckt er mitten in einer Identitätskrise und hat mehr Angst und Scham vor der Wahrheit, als dazu zu stehen. Aber nach diesem Ausflug verliert er erst mal alles, seine Heimat, seine Eltern, seine Schwester und muss mit Scham, Schuld und Schweigen leben. Nun also Neustart in Liverpool und der Gedanke, endlich der zu sein, der er ist, aber auch hier Vorurteile, Diskriminierung und Flucht. Connor landet in London und dort blüht er zwar auf und lebt endlich sein Leben, aber immer mit gezogener Handbremse.

Derweil verfolgen wir auch das Leben seiner Schwester Ellen und erfahren so abwechselnd aus beidem Sichten ihren Lebensfortgang. Als die Schwester von einem Mörder im Ort zurückzubleiben ist auch nicht einfach. Keiner begegnet ihr mehr offen, alle schauen sie mit dem gewissen Seitenblick an und Unbeschwertheit ist nicht wirklich vorhanden. Erst als Martin sie zum Tanzen einlädt, ändert sich was in ihrem Leben und die Familie Hayes kommt aus dem Schatten wieder heraus und darf in Mullinmore wieder mitspielen. Ellen ist glücksselig und verliebt sich in Martin und das Glück scheint perfekt, als er um ihre Hand bittet. Aber die Ehe steht alles andere als unter einen guten Stern.

Graham Norton erzählt eine Familiengeschichte, die einen nicht kalt lässt, die einen bewegt, und gleichzeitig gibt er eine ganze Epoche an Bewegung, Umdenken und Geschichte wieder. Eine Familie, die geächtet wird, ein Junge, der dafür büßen muss und der dadurch die harte Schule des Lebens erlebt, um Jahre zu brauchen, um sich selbst zu finden. Eine Schwester, die in den Strudel aus Unwahrheiten gerät und dabei nur eine Nebenfigur in ihrem eigenen Leben spielt. Und ein ganzer Ort, der mit der Trauer leben muss. Geschickt erzählt der Autor seine Geschichte und geschickt lässt er uns zuerst nur das sehen, was alle anderen sehen, aber er lässt uns auch spüren, das hier etwas nicht stimmt. So gewinnt man beim Lesen immer mehr den Eindruck, das hier die Unwahrheit im Raume schwebt und entwickelt so einige Eigentheorien. Die sich dann auch noch eine nach der anderen offenbarten und man über dessen Folgen nachdenkt, erschüttert und schockiert zurücklässt. Wie kann eine Tat so viele Leben beeinflussen.

Graham Norton schafft es einfach, Gefühle und Figuren so authentisch zu beschreiben, dass man meint, sie kommen jeden Moment zur Tür herein. Dazu noch diese Studie über Scham, Identität, Schuld und Macht, die mich absolut überzeugt und mitgenommen hat. Dieser Autor ist einfach großartig.

Heimweh ist eine Familiengeschichte mit vielen Schattenseiten, die lange braucht, um die Sonne durchzulassen. Absolut empathisch, druchwärmend und ergreifend.
 
Henry und ich konnten das Buch kaum aus der Hand legen und dafür gibt es fünf Bücherpunkte:
 
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Über den Autor:
 
 
Graham Norton, Schauspieler, Comedian und Talkmaster, ist eine der bekanntesten Fernsehpersönlichkeiten der englischsprachigen Welt. Geboren wurde er in Clondalkin, einem Vorort von Dublin, aufgewachsen ist der Sohn einer protestantischen Familie aber im County Cork im Süden Irlands. Sein erster Roman «Ein irischer Dorfpolizist» überraschte viele durch seine Wärme und erzählerische Qualität, er avancierte in Irland und Großbritannien zum Bestseller, wurde mit dem Irish Book Award 2016 ausgezeichnet und wird nun auch zu einer Fernsehserie. «Möglicherweise war es Verschwendung, dass der Mann die ganzen Jahre im Fernsehen war», schrieb Bestsellerautor John Boyne in der «Irish Times».
 
Quelle: Rowohlt Verlag 

Vielen lieben Dank an den Rowohlt Verlag für das  Rezensionsexemplar.
 

2 Kommentare:

  1. Also, wenn ich es nicht schon hätte, ich würde es jetzt kaufen.
    Klingt so gut und ich werde es bald lesen. Musste nur erstmal mit "Ende in Sicht" abschließen, das gar nicht so einfach ist zu verknapsen.

    Liebe Grüße
    Sandy

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    1. Hallo Sandy,

      das freut mich sehr und ich wünsche dir wunderbare Lesestunden und das andere packst du mit links :-)

      Liebste Grüße zurück
      Inga

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