Mittwoch, 25. Mai 2022

Rezension: Seishu Hase * Tamons Geschichte: Roman einer Reise nach Süden

Gebundene Ausgabe: 288 Seiten 
ISBN-13: 978-3455014013
Preis: 24,00 EUR 
E-Book: 14,99 EUR 
Reihe: 1/1
Erscheinungsdatum: Februar 2022   
Übersetzer*in: Luise Steggewentz
 
 
 
 
Inhalt:
In Sendai findet Kazumasa vor einem Supermarkt einen herrenlosen Hund und beschließt, diesen mitzunehmen. Auf seinem Halsband steht der Name Tamon und er scheint ein Schäferhundmischling zu sein, mit guten Manieren und auch dem Menschen nicht abgeneigt. Kazumasas Leben verändert sich zusehends zum Positiven durch den Hund, aber er merkt, das Tamon seinen Blick immer nach Südwesten neigt und er ahnt, das Tamons Reise noch nicht beendet ist. Bevor er sich entschließen kann, Tamon zu helfen, wird er selbst Opfer und bleibt zurück. Für Tamon geht es aber weiter durch atemberaubende Landschaften, Gefahren und immer wenn er nicht weiter kann, sucht er einen Menschen, der ihm hilft. So beginnt die Reise 2011 nach dem schlimmen Tohoku-Erdbeben und einem Ziel, das unerreichbar scheint. Wo geht es für Tamon hin? Wird er sein Ziel erreichen? Und welches Schicksal wird er noch verändern?

Meinung:
Eigentlich dacht ich ja immer, ich bin ein Katzenmensch, war aber den Hunden nie abgeneigt und jetzt bin ich selber Besitzerin eines weißen Schäferhundes. So ein Hund ist ein ständiger Begleiter und ein Freund in jeder Lebenslage, deshalb musste ich Tamon kennenlernen. Dazu noch Japan und eine Reise mit ungewissen Ausgang. Ob mich die Geschichte begeistern konnte, erzähle ich euch nun.

Es gibt ja schon einige Geschichten aus Japan über Hunde, ganz vorne die Geschichte über Hachiko, der sieben Jahre auf sein Herrchen gewartet hat, der zwischenzeitlich verstorben ist. Und so passt auch Tamon ins Bild, ein wohlerzogener, regeltreuer und verstehender Hund, der seinen Besitzer genau das gibt, was er zu suchen scheint. Überhaupt ist Tamon ein Hund, der sich schnell ins Leserherz schleicht. So beginnt seine Reise nach dem Erdbeben und jeder, der Tamon findet, möchte ihm helfen, aber seine Besitzerin ist ein Opfer des Erdbebens gewesen und so fragt man sich, wohin will dieser Hund, was verleitet, ihn nach Süden zu ziehen und wenn, sucht er. Welche Bindung ist da im Spiel? Und so liest man Häppchen für Häppchen weiter, denn ich habe immer einen Abschnitt gelesen, um es dann erstmals sacken zu lassen. Tamons Wahl seiner Helfer ist nämlich recht ungewöhnlich, ein Dieb, ein Prostituierte, ein Paar mit Eheproblemen und einem Jäger. Jeder dieser Personen befindet sich in einer schwierigen Lage, manchmal aussichtslos, kompliziert und brenzlig. So herrscht eigentlich immer eine dunklere melancholische Stimmung vor und wird erst erhellt, wenn Tamon mit seinem ruhigen, unterwürfigen Wesen diese Menschen berührt, ihr Leben streift und ihnen einen anderen Blickwinkel gibt. Er scheint immer zur richtigen Zeit aufzutauchen und durch seine Anwesenheit Mut, Stärke und Zutrauen zu vermitteln und genau das ist einfach heldenhaft, Hunde eben.

Seishu Hase schreibt einfach und ungekünstelt, lässt uns in ein Japan schauen, was durch viele Naturkatastrophen gehen musste und doch immer wieder aufsteht. Der Autor scheint so genau den Nerv seiner Mitmenschen zu treffen und uns eine Geschichte mit Kraft und Stärke zu schenken. Tamon ist ein Freund, den man sich nur wünschen kann, der bedingungslos liebt, durch seine Anwesenheit schützt und das Leben bereichert. Eigentlich genau wie jedes Tier. Mich hat dieses Buch extrem berührt und am Ende, und das ist megaselten bei mir, musste ich weinen und kämpfe auch hier mit einem Kloß im Hals. Es ist so viel mehr als nur eine Geschichte, sondern auch ein Appell ans Tierwohl. Außerdem zeigt es, wie verbunden alle Lebewesen miteinander sein können, ohne die gleiche Sprache sprechen zu müssen. Tier schauen nun mal in die Herzen und das zeigt Tamon hier ganz eindrucksvoll. Aber auch die anderen Figuren zeigen ein komplettes Bild aus japanischen Gedanken, Träume und Hoffnungen auf. Großartig und nicht nur für Hundebesitzer.

Tamons Geschichte ist nicht nur ein Spiegel des japanischen Zeitgeists, sondern eine Geschichte, die zu Herzen geht. Einnehmend, mutmachend und berührend.
 
Henry und ich hatten eine bewegende Lesereise und dafür gibt es die vollen Bücherpunkte:
 
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Über den Autor:
 
 
Seishū Hase wurde 1965 in Hokkaido geboren. Er ist ein Bestseller-Autor, der in Japan zahlreiche Bücher veröffentlicht hat, von denen einige verfilmt wurden. Für Tamons Reise wurde er mit einem der wichtigsten Literaturpreise seiner Landes ausgezeichnet.
 
Quelle: Hoffmann und Campe  
 
Vielen lieben Dank an den Hoffmann und Campe Verlag für das Rezensionsexemplar.  
 

Montag, 23. Mai 2022

Rezension: Douglas Skelton * Das Grab in den Highlands

Taschenbuch: 432 Seiten
Verlag: Dumont
ISBN-13: 
978-3832165932
Preis: 12,00 EUR
E-Book: 8,99 EUR
Reihe: 2. Teil
Erscheinungsdatum: April 2022
Übersetzer*in: Ulrike Seeberger
 
 
 
 
Inhalt:
Rebecca Connolly steht am Rand einer protestierenden Menge und überlegt sich gerade eine gute Überschrift für ihre Story, als Bewegung in der Monotonie der Menschen kommt. Finbar Dalgliesh taucht auf und benutzt diese Veranstaltung gegen die Ansiedlung eines Sexualstraftäters, der Familie Bruke für seine Rechte politische Sache, wie gut das Rebecca genau jetzt einen Anruf bekommt und zu einem Mord geschickt wird. In Culloden, auf dem historischen Schlachtfeld wurde eine Leiche gefunden, perfekt inszieniert mit Schottenkluft und mit einem Schwert durchbohrt. Die Polizei tappt im Dunklen, die Identität ist unklar und erst recht die Beweggründe. Rebecca riecht darin eine gute Story, arbeitet aber mit der Polizei zusammen und veröffentlicht erst dann ihre Berichte, wenn es grünes Licht gibt. So pendelt ihr Augenmerk zwischen Aufruhr und Mord hin und her und wird noch von einigen anderen Dingen abgelenkt. So überrascht es alle, dass kurze Zeit später noch eine Leiche gefunden wird und nun brodelt es. Wie hängen die Toten zusammen? Worum geht es bei den Morden? Und wird Rebecca die Lösung vielleicht in der Vergangenheit finden?

Meinung:
Was habe ich mich auf den zweiten Teil gefreut, da mich Rebecca Connolly mit ihrem ersten Fall so vereinnahmen konnte. Immerhin Schottland, ein raues Aye, eine empathische Frau und nicht nur eine Reporterin und jede Menge Flair. Nun war ich wieder dort an Rebeccas Seite und ob ich mich da wohlgefühlt habe, erzähle ich euch nun.

Ein Jahr ist es her, seit den Ereignissen auf der Insel und Rebecca hat noch immer nicht alles verarbeitet, aber zumindest nun gute Freunde direkt vor Ort. Chaz und Alan haben ihren Lebensmittelpunkt verlegt und verbringen den einen oder anderen Abend mit der eifrigen Journalistin. Ihr Beruf ist ihr Leben und so kommt es nicht wirklich gut an, das aus London jemand geschickt wird, um das Ruder in die richtige Richtung zu lenken. Rebecca ist nicht der Typ, der nur am Schreibtisch sitzt und ein Telefon in der Hand hält. Sie muss raus, die Stimmung wittern und vielleicht so auch auf neue Fährten stoßen, somit ist die Atmosphäre in der Redaktion aufgeladen und alles auf Krawall gebürstet. Dazu kommen Rebeccas Reportagen, sie pendelt zwischen der Ansiedlung des Sexualstraftäters und dem Mord hin und her. Besonders die politischen Aktionen halten sie auf Trab, genauer gesagt, die Familie Bruke. Die Mutter ist die Initiatorin und Rebecca möchte sie gern interviewen, weil sie es besonders interessant findet, wie eine Familie mit kriminellen Hintergrund sich damit in die Öffentlichkeit wagt, dabei begegnen ihr die Söhne, und während der eine ihr angst macht, möchte der andere mit ihr ausgehen. Und als ob das alles nicht genug ist, gibt es noch diesen Mord, der sich als mysteriös und interessant outet.

Ihr merkt, der Krimi hat viele Baustellen und das ist leider diesmal auch der Haken, es geht die Spannung verloren und auch der Lesefluss ist somit nicht gradlinig. Während man sich vom Titel verleiten lässt und sich selbst schon in den Highlands sieht, um einen Mörder zu jagen, ist unsere Hauptprotagonisten an vieler Orts gleichzeitig und doch nicht ganz bei der Sache. Vielleicht ist das auch gewollt, um die innerliche Unruhe und die Zerrissenheit von Rebecca zu beschreiben, denn sie ist noch nicht am richtigen Platz, hat noch viel aufzuarbeiten und sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht. So ist eigentlich die Polizistin interessant, etwas biestig, verbissen und selbst mit den Männern durch, will sie den Fall lösen und krallt sich an jedem Hinweis fest. Nur kommt die Polizeiarbeit in dezenten Kapiteln vor und der Rest wird getragen von der Lage Schottlands. Hier lässt der Autor einen Blick in die politische Situation einfliessen und das nicht zu knapp. Auch wie die kriminelle Seite in den Highlands ist und wie sich Land und Leute verändert haben. Das ist zwar auch interessant, nimmt leider aber zu viel Raum ein, dass somit leider die Spannung auf der Strecke bleibt.

Nichtsdestotrotz ist Rebecca Connolly eine interessante moderne Frau, die sich dem Leben stellt und ihren Job mit Herzblut macht, ohne über Leichen zu gehen. Ich habe mich wohl an ihrer Seite gefühlt und fand einige Aspekte gut eingeflochten, wann geht man schon mal mit einem zwielichtigen, gut aussehenden Mann aus. Außerdem fand ich den Showdown richtig gut gemacht und das Ende ist jetzt schon ein vielversprechender dritter Teil. Douglas Skelton lässt hier ein realistischen Schottland erscheinen, was mal erfrischend anders ist und beschreibt eine Journalistin, die auch noch Mensch geblieben ist, auch wenn sie verbissen recherchieren kann. Ich mags, auch wenn ich hier gern mehr Highlands gehabt hätte.

Das Grab in den Highlands ist nicht so stark wie der erste Teil. Hier gibt es eher einen authentischen politischen Rundblick, viele lose Fäden und eine Rebecca in Not. Komplex, vielseitig, nur ohne Spannungsbogen.
 
Henry und ich mögen Rebecca, auch wenn der zweite Teil nicht an den ersten reichte, so gibt es vier Bücherpunkte:

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Über den Autor:
 

 
DOUGLAS SKELTON wurde in Glasgow geboren. Nach mehreren Büchern über wahre Verbrechen widmet er sich heute Kriminalromanen. ›Das Unrecht von Inverness‹ ist nach ›Die Toten von Thunder Bay‹ (2021), der auf der Longlist für den McIlvanney-Preis als bester Kriminalroman des Jahres stand, und ›Das Grab in den Highlands‹ (2022) der dritte Band in der Reihe um die Reporterin Rebecca Connolly. Douglas Skelton lebt im Südwesten Schottlands.
 
Quelle: Dumont Verlag
 
Rebecca Connolly ermittelt:
 

1. Teil: Rezension I 3. Teil: erscheint September 2022
 
Vielen lieben Dank an den Dumont Verlag für das  Rezensionsexemplar.
 

Dienstag, 17. Mai 2022

Rezension: Kotaro Isaka * Bullet Train

Gebundene Ausgabe: 384 Seiten 
ISBN-13: 978-3455013221
Preis: 22,00 EUR 
E-Book: 14,99 EUR 
Reihe: 1/1
Erscheinungsdatum: April 2022   
Übersetzer*in: Katja Busson
 
 
 
 
Inhalt:
Im Hochgeschwindigkeitszug Shinkansen sitzen so einige spezielle Reisende. Da haben wir zwei Profikiller, die einen großen Auftrag von einem der schlimmsten Bosse der japanischen Unterwelt ausführen sollen, nämlich seinen entführten Sohn und das Lösegeld zurückzubringen. So weit, so gut, aber es steigen noch weitere Personen ein und die Fahrt entwickelt sich zum Desaster für die zwei Killer. Erst verstirbt das Entführungsopfer und dann verschwindet auch noch der Koffer mit dem Geld. Somit beginnt ein großes Katz- und Mausspiel. Wo ist der Koffer? Wer hat den Sohn getötet? Und wie viele Profis sind noch am Board? Alles spitz sich immer mehr zu, während der Zug seinem Endziel entgegen rauscht.

Meinung:
Diese Geschichte hat mich sofort angesprochen. Vielleicht weil ich ein Faible für Japan habe oder ich einfach skurrile Geschichten mit großem Unterhaltungswert einfach mag. Dass das gute Stück auch verfilmt wurde, war dabei eher zweitrangig. Somit bin ich in den Zug gestiegen und ob mir die Reise gefallen hat, erzähle ich euch nun.

Ein Zug, fünf Killer und die große Frage, wer kommt lebend an. Zumindest ist es nicht die Deutsche Bahn, dann wäre das Buch bestimmt ein paar Hundert Seiten dicker geworden. Aber nun gut zurück zur Geschichte, diese wird nämlich aus verschiedenen Richtungen erzählt. Da haben wir Kimura, der seinen Sohn rächen möchte und deshalb einsteigt, um diesen trotzigen Schüler zu töten, der sein Kind vom Dach geschupst hat. Der Prinz ist dieser Schüler und er hat ein kriminelles Gen in sich, was seines Gleichen sucht. Er beobachtet Menschen und versucht sie damit in die Enge zu treiben und so jede Menge Unheil zu provozieren, was er dann studieren kann. Dazu kommen noch die Zitrusfrüchte, das sind Lemon und Tangerine, sie haben den großen Auftrag vom Oberboss bekommen und sind zu Beginn guter Dinge, das Entführungsopfer sitzt neben ihnen und der Koffer ist verstaut. Und zu guter Letzt haben wir noch Nanao, der Marienkäfer, ein weiterer Profi mit dem Auftrag, den Koffer mit Geld zu stehlen. Diese Figuren treten für den Leser ans Licht, aber da sind noch einige Graustufen, die mit in den Zug eingestiegen und durch den Prinzen wird noch mehr Chaos gestiftet. Diese Reise wird zur Achterbahnfahrt der Undurchschaubarkeit.

Der Schauplatz des Geschehens ist auf dem Zug begrenzt und so nimmt es ein bisschen die Gestalt eines Kammerspiels an, aber das mag ich absolut. Wir lernen die Figuren, ihre Gedanken, ihren Stress und ihre Beweggründe kennen. Erleben so manchen herzigen Dialog mit, Aufeinandertreffen der schrägen Art und schauen in die Tiefen der Machenschaften der dunklen Unterwelt. Ein Buch, was man aufschlägt und man einfach dran bleiben möchte, man taucht ab, lässt sich bestens Unterhalten und als Kinofilm könnte ich es mir auch bestens vorstellen, obwohl mein Kopfkino schon mega war. Witzige Zusammenkünfte, skurrile Situationen und Figuren, die diese Zugfahrt mit Leben füllen. Die Sprüche der Zitrusfrüchte, einfach genial, das Pech vom Marienkäfer, top einfach einiges und dieser Prinz lässt einen erschauern. Somit hat diese Geschichte so richtig Spaß gemacht mit seinen Wendungen, Überraschungen und auch Toten, denn so einige haben sich ein bisschen verzettelt.

Kotaro Isaka hat nicht nur eine rasante Zugfahrt geschrieben, sondern auch eine Personenstudie abgegeben. Dazu hat er verschiedene Figuren zusammen gemixt und mit Humor, Spannung und Überraschungen verfeinert. Mich hat dieser Thriller bestens Unterhalten, obwohl ich es nicht als Thriller beschreiben würde, es ist ein Spannungsroman mit ein paar Leichen halt, aber die Charakterzüge für Thrillerleser werden hier glaube ich, nicht so erfühlt. Aber für alle, die skurrile, einfallsreiche und ungewöhnlich andere Geschichten mögen, ist es perfekt. Ich fand diesen Einfallsreichtum klasse und hatte richtig gute Lesestunden.

Bullet Train ist eine abgefahrene, skurrile und rasante Zugfahrt mit Killerstudie. Sehr unterhaltend und mit Kopfkinoeffekt.
 

Henry und ich lieben so schräge Geschichten und deshalb gibt es fünf Bücherpunkte:
 
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Über den Autor:
 
 
Kotaro Isaka, geboren 1971, ist einer der international erfolgreichsten japanischen Krimi-Autoren der Gegenwart, der mit fünf der wichtigsten Japanischen Literatur- und Krimipreisen ausgezeichnet wurde. 14 seiner 24 Romane wurden verfilmt. Seine Bücher erscheinen in China, Korea, Thailand, Taiwan, Indonesien, Litauen, Russland, Italien und Frankreich.
 
Quelle: Hoffmann und Campe  
 
Vielen lieben Dank an den Hoffmann und Campe Verlag für das Rezensionsexemplar.